Am Vorabend des Spanischen Erbfolgekriegs wurde der Zustand in der Hofburg offen beklagt: Nahezu jeder Türsteher oder Lakai, der befugt war, kühlende Getränke zu reichen, stand in französischen Diensten. Das Interesse an den kaiserlichen Plänen war groß. Der französische Botschafter in Wien klagte über die wachsenden Ausgaben für die Spitzel, die sein Budget belasteten.

Es wird keinen Erbfolgekrieg mehr geben, aber Kriege aller Art – jetzt auch in Europa. Kriege, Konflikte, Spannungen sind das Lebenselixier aller Dienste. Alle Nachrichten werden für bedeutend gehalten, nur bei wichtigen kommen Zweifel auf. Und jetzt sickerte durch, dass in Wien Angehörige der Nachrichtenabteilungen des Innenministeriums "doppelte" Gehälter beziehen.

Zumindest "nachrichtendienstlich" ist Österreich Weltgeltung geblieben.

Die Halbwelt des Dritten Mannes ist in Wien nie zu Ende gegangen, wie auch die Leitmelodie von Toni Karas im Ohr bleibt. Es gibt ein "amtliches" Interesse der ausländischen Nachrichtendienste an Wien, da sie sich für die internationalen Organisationen zu interessieren haben. Das Interesse an Österreich ist die unterhaltsame Freizeitbeschäftigung der Dienste. Seit wann Nachrichtendienste Friedrich Hebbel beherzigen, ist schwer zu sagen, aber alle begründen ihre Tätigkeit in Wien mit seinem Kernsatz: Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Für Österreich nach 1918 war dieser Satz wie Balsam. Wenigstens "nachrichtendienstlich" war die Weltgeltung geblieben.

Von 1945 bis in die 1960er-Jahre war leicht zu erraten, wer ein berüchtigter "5-Schilling-Agent" gewesen ist. Zumeist waren es stellungslose oder belastete Nazi-Akademiker, die sich einer jeweiligen Besatzungsmacht andienten. Die einzige Ausnahme war der Stellvertretende Gestapo-Chef Wilhelm Höttl, der in Bad Aussee eine Privatschule betrieb. Knapp vor Kriegsende war sein Versuch, sich in der Schweiz den "Amerikanern" erbötig zu zeigen, noch gescheitert, 1947 nicht mehr. Höttl bekam 1995 das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark.

Erfahrung im Denunzieren

Die "Ehemaligen", die schon in der "illegalen Zeit" vor 1938 einige Erfahrungen im Denunzieren und Intrigieren gesammelt hatten, waren für den Kalten Krieg wie geschaffen. In den Grauzonen scharten sich inzwischen die "selbsternannten" Mitarbeiter der Dienste um zwei Institutionen und waren gleichzeitig zu deren Publikum geworden: Das Nansen-Haus vertrat die US-amerikanischen Interessen samt dem Informations-Service rund ums Kosmos-Kino in der Siebensterngasse. Man konzentrierte sich auf akademische und kulturelle Bereiche in den 1950er- und 1960er-Jahren. Der Weltfriedensrat hingegen, eine Idee Stalins, um eine Konkurrenz zur Uno zu gründen, war bald nach Wien abgewandert und "saß" am Höchstädtplatz ein Stockwerk unter dem Globus-Verlag. Hier sammelten sich "friedensbewegte" Gegner der atomaren Rüstung, also ungebundene Linke, kirchennahe Gruppen und Pazifisten seit den Fünfzigern.

Bis zum Staatsvertrag und einige Jahre danach waren die Interessen in Österreich geteilt. Als Land zwischen Ost und West waren weltpolitische Perspektiven in der Selbstüberschätzung von hoher Bedeutung, und die Staatspolizei sah sich als "Staatssicherheit" – mit "westlich-deutscher" Schlagseite. Sie sicherte damit die "freiberufliche" Tätigkeit der "5-Schilling-Agenten" und erleichterte die Polizeiarbeit, die noch im Deutschmeister-Palais am Ring ressortierte.

Spitzelakten

Wer nun geglaubt hat, dass ab 1955 in die Hochbürokratie Diensteifrigkeit und Loyalität zur Republik einkehrten, irrt. Im unversöhnlichen Konflikt zwischen dem SPÖ-Parteivorsitzenden Bruno Pittermann und ÖGB-Präsident Franz Olah wurden erstmals Kampagnen gestartet, in denen außerdienstliche Polizeiarbeit Verwendung fand. Die Sammlung professioneller Dossiers und Filmaufnahmen wurden in Österreich erstmals als Instrumente angewendet. Mit Verve legte der Kompromisskandidat Bruno Kreisky diesen Streit 1968 bei. Franz Olah erhielt eine mehrjährige Kerkerstrafe. Als Innenminister hatte er einerseits Einsicht in Spitzelakten gewähren wollen, andererseits hatte er Dossiers über seine Gegner anfertigen lassen.

Als Folge dieses Konflikts wurde in den Dienststellen des Innenministeriums eine "Parteilichkeit" gestärkt, sodass die Konsequenz aus dem Verwaltungsrecht und das Selbstverständnis in der Dienstpragmatik relativiert erschienen. Es begünstigte die Entwicklung bis zur Affäre um das Frachtschiff Lucona. Plötzlich waren nach 1977 sogar Minister in diese Affäre verstrickt, weil sie nichts dabei fanden, Frachtpapiere zu fälschen oder Vertretungen im Ausland – Bulgarien! – zu Beglaubigungen der kostbaren Fracht zu veranlassen. Das geschah mithilfe der Kontakte der Nachrichtendienste zu den Kollegen der ausländischen Nachrichtendienste. Freilich standen ökonomische Interessen – Waffenhandel – im Vordergrund.

Der "nahöstliche" Waffenhandel" verursacht bis heute unaufgeklärte Mordfälle. Die enge Beziehung des ehemaligen Verteidigungsministers Karl Lütgendorf zum syrischen Verteidigungsminister Mustafa Tlass deutete mehr an als notwendige Routinevereinbarungen über gemeinsame Veranstaltungen der Militärsportvereine im Hotel Sacher. In den nachgeordneten Apparaten im Innenressort hielt sich die Verunsicherung, wem zu dienen ist: der Republik oder den Interessen von Ministern. Eine zunehmende Demoralisierung, die Amtsauffassung routinierter Gleichgültigkeit waren sicherlich zu Merkmalen der Veränderung geworden.

Wirtschaftsspionage

Vermutlich wurde deshalb 1985 die Auslandsaufklärung aus dem Heeres-Nachrichtenamt des Bundesheeres herausgelöst. Diesem neuen Amt schenkten die "westlichen" Stäbe bald volles Vertrauen. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienst und der österreichischen Heeres-Dienststelle wurde zum Fels in der Brandung nachrichtendienstlicher Lagebeurteilung vor allem beim Jugoslawien-Konflikt ab 1991. In den Abteilungen des Innenministeriums stieg hingegen die Ablehnung, da der BND um 1999 die österreichischen Firmen Glock, Hirtenberger, Steyr Mannlicher und den Drohnenhersteller Schiebel im Visier hatte. Überhaupt hatte die Wirtschaftsspionage zugenommen und ist zum Thema der Staatspolizei geworden. So war die Firma Rauch ins Visier "fremder Mächte" geraten, da man wissen wollte, wie dort Fruchtsäfte pasteurisiert werden.

Nun muss man wissen, dass ein Nachrichtendienst wie ein Universitätsinstitut agieren muss, aber Forschungsergebnisse nicht publizieren darf. Damit fehlt dem Nachrichtendienst die nötige Kontrolle seines Wissensstands. Die einzige wirksame und legitime Orientierung sollte die ungebrochene Loyalität zum Staat sein. Diese Komplexität überforderte oft die Dienste. Also kehrte man nur zu gern zum altbewährten System zurück, das für Österreich wie nach Maß geschneidert aussieht: Komplizenschaft und Nötigung. Es konnte wie eine "Doppelmühle" eingesetzt werden. Nach dieser Faustregel agierten Nachrichtendienste, die sich weder einem parlamentarischen Kontrollausschuss noch rechtsstaatlichen Regeln beugen müssen.

Ob der Freundschaftspakt einer österreichischen Partei mit der Partei Putins zu einer "Doppelmühle" ausartet, kann nicht beurteilt werden. In Deutschland scheint es offenbar der Fall zu sein. Jedenfalls sind es überraschende Zeugnisse mangelhafter Loyalität gegenüber dem Staat. Dieser Pakt ist nie hinterfragt, vielmehr verdrängt worden. Jedenfalls war die Chance, im innenministeriellen Polizeidienst wieder zum Bezieher doppelten Gehalts zu werden, deutlich gestiegen. Am Beginn stand als "Übungsbeispiel" 1994 die Erpressung eines Bundespräsidenten durch den Kriminalbeamten wegen einer Privatangelegenheit – der Präsident hatte eine Freundin. Auf Anraten des damaligen Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, Michael Sika, stellte der Bundespräsident alle diesbezüglichen Fragen klar.

Wahlonkel Putin

Es war ein Indiz für eine deutliche Beeinträchtigung des dienstlichen Selbstverständnisses. So war die nach Gorbatschow ausgebrochene "Russophilie" wie eine Anleitung für grobe Verletzungen österreichischer Sicherheitsinteressen geworden. Von Putin schwärmte man ungebrochen über 2018 hinaus bis zum Bundeskanzler. Der russische Präsident war für "die politische Klasse" in Europa zum Wahlonkel geworden, der nicht mehr aus "Amerika" kam.

Wie das geschwindelte Treffen 2019 von Politikern mit einer "Oligarchin" auf dem Videobild zeigt, war niemand ernstlich entsetzt darüber, dass ein Vizekanzler der Republik freihändig Betriebe samt Zeitung wie ein Hehler zum Kauf anbot. Es waren klassische Indizien für eklatanten Landesverrat, der jetzt nicht mehr auf die Angehörigen der "politischen Klasse" beschränkt ist. Vielleicht hat dieses Beispiel die untergeordneten Dienststellen zur Erosion ihrer Berufsauffassung geführt. Der Sturm der Polizei im eigenen Haus – samt juristischer Deckung durch den damaligen Sektionschef Pilnacek – auf die innenministerielle Abteilung zur Beobachtung von Rechtsextremismus 2018 besagt viel. Es ist ein weiteres Indiz dafür, was schon Robert Musil im Roman Der Mann ohne Eigenschaften befürchtet hat: die grenzenlose Bereitschaft im Land zum Landesverrat, zum Loyalitätsbruch gegenüber Staat und Volk.

Hat früher ein Innenminister vor 1988 "Herrn Udo" gewarnt, dass die Polizei ihn verhaften will, so sind es jetzt subalterne Beamte, die ihre privaten Zusatzgeschäfte abwickeln – mit flüchtigen Betrügern in Russland, die mit den russischen Diensten eng zusammenarbeiten.

Die Schieflage Österreichs begann mit der Märchenhochzeit einer Außenministerin unter den Auspizien des russischen Präsidenten. Die Repräsentanten und Mächtigen der Republik geraten in die Schlagzeilen, aber nicht wegen Landesverrats vors Landesgericht. Wenn überlegt wird, welche Aufgabe ein Nachrichtendienst heute erfüllen soll, so wäre schon Propaganda und Lüge aufzudecken ein unschätzbarer Dienst an der Gesellschaft.

Alles scheint einzutreten, was bislang nur Vermutung war: Es bewahrheitet sich sogar, was der Dichter Stephan Eibel knapp zu formulieren vermochte:

mich stört nur
mein hang
zur diktatur

(Reinhold Knoll, 4.5.2024)